Vor einigen Jahren habe ich von Parellis’ Horsenalities auf der Seite Horsemanship Schule – Lerne die Sprache der Pferde erfahren. Auch wenn ich mit dem Training von Pat Parelli nicht so viel anfangen kann (ich habe mich allerdings auch nicht allzu intensiv damit beschäftigt), fand ich diesen Ansatz hervorragend und habe damals gleich den Chart ausgefüllt, um herauszufinden, welcher Persönlichkeits-Kategorie meine Pferde zuzuordnen waren.
Der Horsenality nach haben Pferde unterschiedliche Persönlichkeiten und Bedürfnisse, genau wie wir Menschen. Typische Charaktereigenschaften, Temperamente und die ganz eigenen Vorgehensweise des Pferdes zu kennen, ist eine hilfreiche Möglichkeit, auf die pferdigen Bedürfnisse besser einzugehen und das Training individueller zu gestalten. Es können sich ungeahnte Möglichkeiten erschliessen. Die Typisierung vereinfacht den Pferdeumgang wesentlich!
Den Ausdruck „Horsenality” hat Pat Parelli 1993 erfunden, es gibt 4 verschiedene Charktere. Es wird unterschieden in:
Introvert
(Mehr Ho)
Introvertierte Pferde:
- wenig Energie
- Mehr Whoa (ein Mangel an Vorwärtsdynamik)
- Langsame Reaktionen
- Stoppt oft
Extrovert
(Mehr Go)
Extrovertierte Pferde:
- hohe Energie
- Mehr Go (viel Vorwärtsdrang)
- Schnelle Reaktionen
- Läuft oft
Left-Brain
(Dominant)
Left-brain-Pferde:
- dominant
- mutig
- zuversichtlich
- ruhig
- tolerant
Right-Brain
(Unbeständig)
Right-brain-Pferde:
- unterwürfig
- ängstlich
- nicht sicher
- nervös
- reaktiv
Jeder dieser Charaktere hat bestimmte Eigenschaften die man selber ermitteln kann. Mehr darüber könnt ihr hier lesen: parelli-instruktoren.com/de/horsenality
Der Horsenality-Typus eines Pferdes ist nicht statisch und unveränderlich. Ein Pferd kann ganz klar einem Typen zugeordnet werden oder aber mit anderen dieser vier Kategorien in unterschiedlicher Ausprägung verschwimmen. Das kann sogar je nach Tagesform und Situation (Z. Bsp. Zuhause oder Turnierplatz) abhängig sein. Ganz genau wie ein und der selbe Menschen auch verschiedene Verhaltensweisen an den Tag legt.
Je normaler es für ein Pferd ist, von einer Horsenality in eine andere zu switchen, desto anspruchsvoller ist das für uns Menschen. Jedes dieser Temperamente verlangt andere Wege, um das Pferd effektiv zu trainieren und unterstützen.
Welche Horsenality hat dein Pferd?
Um die Horsenality deines Pferdes zu bestimmen, fülle das Chart aus. Einfach auf das Bild klciken, dann siehst du die Grafik in groß. Kreuze an, was eher auf dein Pferd passt. Gelb trifft sehr starkt auf dein Pferd zu, blau mäßig und grün gar nicht. In welchem Abschnitt erhält dein Pferd die meisten Kreuze? Wo hast du mehr gelb angestrichen? Das ist der Horsenality-Typ deines Pferdes.
Heute stell ich euch Typ LBE (left brain extrovert) anhand von Hófur vor.
Schon als ich Hófur kennenlernte, war es mir gleich klar. Er kam freundlich auf mich zu, war aufmerksam, selbstbewusst, wollte alles mit dem Maul untersuchen und war mit seinen eigenen Ideen aktiv am Geschehen beteiligt.
Beim Probeausritt ist er mit mir auf seinem Rücken von seiner Pferdegruppe weggegangen und wollte sich ein fremdes Pferd auf der 50m entfernten Weide ansehen. Da er die Reiterhilfen kaum kannte – schliesslich war er noch quasi roh – hatte ich meine liebe Not, ihn wieder zurückzulenken. 😉
Irgendwie war das schon der Moment der Kaufentscheidung. Ich mag diese autarken und intelligenten Ponyköpfe. LBEs sind sehr verspielte Wesen, die viel Abwechslung benötigen und mit monotonem Training nicht viel anfangen können. So habe ich nach der Eingewöhnung im neuen Zuhause bald festgestellt, das Hófur für simples Longieren nicht recht zu begeistern ist. Es sieht keinen Sinn darin, stets wieder dort anzukommen, wo er losgegangen ist. Ich muss ihn also immer wieder mit neuen Ideen begeistern. Soll er hingegen ein Target verfolgen, sieht das Ganze schon anders aus. Da kreiselt er bereitwillig um mich herum und wartet auf den Click und seine Belohnung, wenn er das Target gefangen hat. Nun liegt es an mir, daraus eine nützliche (Longen-) Arbeit zu formen, sodass später die Hinterhand Last aufnimmt und die Schulter leicht werden kann.
In unseren ersten sechs Wochen habe ich ihn mit Regenschirm, Plasitkplane sowie Absperrband, Bobbycar, kleinen und großen Bällen, Tütenjagen und was nicht sonst noch alles konfrontiert, was er alles nach nur wenigen Augenblicken gar nicht mehr so anziehend findet. Getreu dem Motto “Ja, war schön. Cool. Jetzt zeig mir was anderes!” Er hat vor nichts Angst, sondern geht interessiert auf die Dinge zu. Wir gehen also erstmal viel ins Gelände und erleben unsere Abenteuer dort. Das finden wir gerade beide noch spannender. 🙂
Das gefällt einem LBE:
- Lass dem Pferd Platz und Raum, sich zu bewegen. Mit langem Arbeitsseil oder sogar ganz ohne macht alles gleich viel mehr Spaß.
- Gestalte das Training aktiv und abwechlungsreich. Nutze Hindernisse, Spielzeuge und andere Objekte, gerne auch zweckentfremdet. Sei kreativ.
- Er hat einen lebendigen Charakter und ist ein echter Spaßvogel. Bleib dran, freue dich über seine eigenen Vorschläge und spiele mit. Werde sein Komplize und mache seine Ideen zu deinen.
- Gib ihm etwas, das er ins Maul nehmen und untersuchen kann. Lehre ihn, etwas aufzuheben, zu apportieren. Wenn beim Reiten etwas runterfallen sollte, wird ein LBE es später einmal mit Freude für dich aufheben.
- Spiel und Spass: Ein extrovertiertes Pferd liebt Action und Bewegung. Mit erhöhter Geschwindigkeit erreicht man oftmals mehr.
- Ein LBE verfügt über sehr schnelle Reaktionen. Ändere spontan die Laufrichtung oder mache etwas völlig Unerwartetes, das lenkt seine Aufmerksamkeit (wieder) auf dich.
- Im Sport sind diese Pferde perfekt. Leistungswille und Härte zeichnet sie aus. Wie wäre es mit dem ein oder anderen Vielseitigkeitsritt oder ein Besuch im Extrem Trail Park?
- Ritte mit Sinn und Zweck und auch mal etwas Speed bringen frischen Wind in die Pferdeseele.
- Viel loben, die Lieblingsstellen kraulen, breit Grinsen und Lachen. Wenn der Mensch Freude empfindet, tut es auch das Pferd.
- Man muss diesem Pferd immer etwas anbieten: Lehre ihn mindestens 1 Mal in der Woche etwas Neues.
- Macht Dinge, die in seinen Augen Sinn ergeben. Ein solches Pferd liebt ausgeklügelte Aufgaben, möchte mitdenken und selbstständig handeln dürfen.
Das mißfällt einem LBE:
- Wie oben schon geschrieben braucht ein extrovertiertes Pferd viel Freiheit. Vermeide Einschränkungen, Verschnürungen und Enge.
- Vermeide Müßiggang! Ein LBE möchte nicht immer langsam und ruhig geritten werden. Er hat viel Energie und ist dauernd in Bewegung, er ist schnell und liebt es, sich langzumachen und zu rennen.
- Lass keine Eintönigkeit aufkommen! Dieses Pferd braucht Vielfalt, denn Altbekanntes führt schnell zu Unlust und irgendwann zu Frustration.
- Es hat keinen Sinn, in schwierigen Situationen forsch auf ein LBE loszugehen. Das sorgt für Gegenwehr, wie zum Beispiel Steigen. Ruhige klare Ansagen helfen. Verhalte dich ruhig und neutral, dann kann sich das Pferd abreagieren.
- Bestrafe ein solches Pferd nicht. Bestrafungen führen zu Kampf. Vermeide Kampf! Insbesondere Wallache haben auch einfach mal Quatsch im Kopf und spielen nur. Sie wissen nicht, dass sie Unfug treiben. Strafen führt oft zu Widerstand. Wenn dieser Typ Pferd übermütig wird und man ihn bestraft, wird er eher aggressiv reagieren. Beissen, Steigen und Wegrennen sind seine Waffen.
- Wird ein extrovertiertes Pferd erschreckt, auf Dauer falsch behandelt oder unterdrückt, verliert es seinen Spaß und zieht sich in sein Schneckenhaus zurück.
- Argumentiere nicht mit ihm oder versuche, ihn zu beherrschen. Ermutige seine Idee stattdessen und er wird um so mehr Leidenschaft ans Tageslicht bringen.
- Keine endlosen Wiederholungen, das führt nur zu gelangweiltem Desinteresse! Ein LBE ist überaus pfiffig und merkt sich Dinge schnell. Lieber später zu einer Übung zurückkehren und den Feinschliff ausarbeiten.
- Dieses Pferd wird ungeduldig und klaustrophobisch, wenn es eingeengt wird und kann mitunter kaum stillstehen.
- Nichts für Anfänger: Dieses Pferd will dauernd beschäftigt sein und fordert jeden permanent heraus. Es liest seinen Menschen wie ein Buch.
Man muss dem Pferd immer etwas anbieten. Wer sich mit diesem Typ Pferd versteht und auf ihn eingeht, wird eine ganz besondere Verbindung und Partnerschaft aufbauen können. Es sind dann keine Grenzen gesetzt.
Ich stelle oft fest, dass die Besitzer ihre Pferde kaum richtig kennen. Klar, sie wissen die üblichen Charaktereigenschaften und Arten zu benennen. Sie sagen Sätze wie “mein Pferd ist stur, triebig“, “er kann nicht stillstehen” oder “er mag keine Dressurarbeit” und dann wird das auch so hingenommen. Die wenigsten denken darüber nach, woher das kommt, was die Ursache dafür sein könnte. Vielleicht sieht das Pferd genau wie Hófur auch kaum einen Sinn, im Viereck stumpf seine Kreise zu ziehen. Wenn die Lektionen aber zum Event gemacht werden, wenn an jeder Ecke eine neue großartige Überraschung wartet, könnte das möglicherweise schon ganz anders aussehen. Oder vielleicht ist alles zu aufregend und das Pferd braucht einfach etwas mehr Ruhe und ausreichend Zeit zum Nachdenken, weil es ein RBI (right brain introvert) ist, das Sicherheit in Wiederholungen findet. Nicht immer ist das gleich sichtbar für den Menschen.
Zu erkennen, wie ein Pferd tickt, ist der Grundbaustein für eine lebenslange Partnerschaft. Um der perfekte Partner für unser Pferd zu werden, müssen wir es verstehen. Empathie ist das Stichwort. Gerne auch den Mitmenschen gegenüber.
Gute Ansätze, mit LBEs zu arbeiten, findet ihr hier:
- intrinzen.horse – Ein Weg mit Pferden zu arbeiten, um ihre natürliche, intrinsische Motivation für stolze, flüssige und agile Bewegung wiederherzustellen oder zu erhalten.
- Savvyjourney.wordpress.com Schreibt über das typgerechte Aufwärmen
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